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Wer muss alles sterben, damit du alles erbst?

Ein Blick auf die gesetzliche Erbfolge aus Sicht des Ehegatten zeigt, warum ein Testament unverzichtbar ist:

Die Ehe gilt rechtlich als ein besonders geschützter Per­sonenstand. Die weitverbreitete Annahme, dass Ehepartner automatisch „alles erben“, ist allerdings nicht korrekt. Wer keine letztwillige Verfügung verfasst hat, muss sich auf die gesetzliche Erbfolge verlassen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. In der gelebten Praxis führt die gesetzliche Erbfolge meist zu überraschenden und mitunter belastenden Konstellationen.

2024 wurden in Deutschland nur noch knapp 349.200 Ehen geschlossen, während die Zahl von Familien mit komplexen Strukturen, etwa unverheiratete Eltern, Patchwork-Familien oder „wilde Ehen“ mit Kindern aus verschiedenen Partnerschaften weiter steigt. Diese Entwicklungen erhöhen den Bedarf an individueller Nachlassplanung erheblich.

Gesetzliche Erbfolge: Grundlagen und Grenzen

Die gesetzliche Erbfolge ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und bestimmt, wer ohne Testament erbt. In den §§ 1924 ff. BGB werden die Erben in Ordnungen gegliedert:

  • 1. Ordnung: Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)
  • 2. Ordnung: Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge (Geschwister, Nichten, Neffen)
  • 3. Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge

Der Ehegatte ist kein gesetzlicher Erbe „erster Ordnung“, sondern erbt neben den Verwandten nach Maßgabe der §§ 1931 (Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten) i.V.m. 1371 (Zugewinnausgleich im Todesfall) BGB. Seine Erbquote hängt davon ab, welche Verwandten des Verstorbenen noch leben und ob ein gesetzlicher Güterstand (z. B. Zugewinngemeinschaft) oder ein anderer Güterstand durch Ehevertrag bestand.

Ein Testament kann gesetzliche Erben von der Erbfolge ausschließen. Pflichtteilsberechtigte, also Kinder, Ehegatten und ggf. Eltern, haben jedoch Anspruch auf einen Mindestanteil des Nachlasses in Geldform (§§ 2303 ff. BGB) und beträgt 50 Prozent des gesetzlich geregelten Erbteils. Dieser Pflichtteil lässt sich nur in Ausnahmefällen wirksam entziehen.

Fall 1: Ehepaar ohne Kinder

Ein kinderloses Ehepaar lebt in einer Zugewinngemeinschaft. Der verstorbene Partner hinterlässt keine Kinder, aber beide Eltern, zwei Geschwister, zwei Nichten und einen Neffen.

Nach gesetzlicher Erbfolge erbt der überlebende Ehegatte 3/4  des Nachlasses (§ 1931 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB). Das verbleibende Viertel fällt der 2. Ordnung zu, also den Eltern des Verstorbenen. Leben diese noch, erben sie gemeinsam das verbleibende Viertel.

Ohne Testament entsteht eine Erbengemeinschaft mit den Schwiegereltern und dem überlebenden Ehegatten bleibt der Zugriff auf das gesamte Vermögen des verstorbenen Partners verwehrt. Soll der Ehegatte Alleinerbe werden, ist ein Testament unerlässlich. Selbst dann bleiben Eltern pflichtteilsberechtigt, sofern sie mangels eigener Kinder die nächsten in der gesetzlichen Erbfolge wären.

Sollte ein Elternteil bereits verstorben sein, treten die übrigen Kinder, also die Geschwister des Verstorbenen an dessen Stelle.

Wenn weder Eltern, noch Geschwister oder Nichten und Neffen vorhanden sind, erbt der überlebende Ehegatte alles.

Fazit: In kinderlosen Ehen ohne Testament werden Schwiegereltern, Geschwister oder Nichten und Neffen Miterben. Dies geschieht häufig unwissend und gegen den Willen beider Partner. Gerade bei Immobilienbesitz ist das Entstehen einer Erbengemeinschaft ein großes Problem.

Fall 2: Ehepaar mit zwei Kindern und drei Enkelkindern

Ein verheiratetes Paar mit zwei gemeinsamen Kindern. Eines der Kinder ist bereits verstorben und hat zwei eigene Kinder hinterlassen.

Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass Kinder des Verstorbenen die Erben erster Ordnung sind. Sie erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind bereits verstorben, treten dessen Abkömmlinge (hier: die zwei Enkel) an seine Stelle (§ 1924 BGB).

Der überlebende Ehegatte erbt in der Zugewinngemeinschaft die Hälfte des Nachlasses (§ 1931 Abs.1 i. V. m. § 1371 BGB). Die andere Hälfte wird unter den Kindern aufgeteilt. In diesem Fall:

  • Der überlebende Ehegatte erhält ½
  • Das lebende Kind erhält ¼
  • Die zwei Enkelkinder teilen sich das verbleibende ¼ (jeweils 1/8).

Die Eltern und Geschwister des Verstorbenen gehen vollständig leer aus, da Erben erster Ordnung vorhanden sind.

Ein Testament könnte die Erbquoten verändern, z. B. den Ehepartner zum Alleinerben einsetzen. Kinder behalten dann aber ihren Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch beschränkt sich aber auf den Anspruch auf eine Geldzahlung und nicht an z.B. Immobilien.

Fazit: Ohne Testament entsteht ein Erbengemeinschaft und unter Umständen werden auch minderjährige Kinder oder Enkel Miterben. Dies kann bei Immobilien oder Vermögensverwaltung zu erheblichen rechtlichen Hürden führen, da automatisch das Familiengericht eingebunden ist.

Fall 3: Patchwork-Familie mit vier Kindern

Ein verheiratetes Paar lebt mit folgenden Familienverhältnissen:

  • Zwei Kinder stammen aus der ersten Ehe des überlebenden Ehegatten
  • Ein Kind stammt aus der ersten Ehe des verstorbenen Partners
  • Ein gemeinsames Kind besteht aus der aktuellen Ehe

Nur das gemeinsame Kind gilt rechtlich als gemeinschaftliches Kind. Die beiden Kinder des überlebenden Ehegatten sind für den Verstorbenen nicht erb- oder pflichtteilsberechtigt, sofern keine Adoption vorliegt (Achtung: Das Steuerrecht stellt Stiefkinder, anders als das BGB mit leiblichen Kindern gleich). Das Kind des Verstorbenen aus früherer Ehe ist ebenso erbberechtigt, wie das gemeinsame Kind.

Die gesetzliche Erbfolge sähe vor:

  • Der überlebende Ehegatte erhält ½ (bei Zugewinngemeinschaft)
  • Die andere Hälfte wird zu gleichen Teilen auf das Kind aus erster Ehe und das gemeinsame Kind verteilt (jeweils ¼)

Die Kinder des überlebenden Ehegatten gehen rechtlich leer aus. Sollte das Kind aus erster Ehe oder vorheriger Beziehung noch minderjährig sein, erhält der andere Elternteil aus erster Ehe/Beziehung in der Regel die Vermögenssorge und hat Zugriff auf das Erbe.

Auch hier gilt: Ein Testament könnte den Ehepartner als Alleinerben einsetzen oder Vermächtnisse für nicht erbberechtigte Kinder vorsehen. Durch eine angeordnete Dauertestamentsvollstreckung für minderjährige Kinder, kann ich den Zugriff von Außen umgehen. Pflichtteilsberechtigt bleiben nur das leibliche Kind aus erster Ehe und das gemeinsame Kind.

Die Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorbenen sind durch die Kinder (Erben erster Ordnung) ausgeschlossen.

Fazit: In Patchwork-Konstellationen ist die gesetzliche Erbfolge besonders komplex. Wer nicht rechtzeitig plant, riskiert ungewollte Ungleichbehandlungen und familiäre Konflikte.

Pflichtteil: Was nicht ausgeschlossen werden kann

Das Pflichtteilsrecht schützt enge Angehörige vor vollständigem Ausschluss. Pflichtteilsberechtigt sind grundsätzlich:

  • Kinder (und bei deren Tod deren Abkömmlinge)
  • Ehepartner
  • Eltern, wenn keine Kinder vorhanden sind

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist stets in Geld auszuzahlen. Ein Testament kann zwar die Erbquote beeinflussen, nicht aber den Pflichtteilsanspruch beseitigen. Nur in eng begrenzten Fällen (z. B. schwerwiegendes Fehlverhalten) kann ein Pflichtteil entzogen werden (§ 2333 BGB).

Was heißt das jetzt für dich?

Wer keine Regelung trifft, überlässt die Nachlassverteilung dem Gesetz und das kann in vielen Familienkonstellationen zu unerwünschten Ergebnissen führen. Die gesetzliche Erbfolge schützt nicht den Ehepartner als Alleinerben, sie berücksichtigt auch entfernte Verwandte und kann sogar zu Erbengemeinschaften mit Schwiegereltern führen.

Ein Testament oder Erbvertrag ermöglicht eine individuelle, rechtssichere und familiengerechte Gestaltung. Besonders in Patchwork-Familien und bei minderjährigen Miterben empfiehlt sich zusätzlich die frühzeitige individuelle Planung und Gestaltung. Mit einer Risiko­lebens­ver­si­che­rung kann Liquidität für die Auskehrung der Pflichtteilsansprüche generiert werden und lebzeitige Schenkungen sollten stets mit einem Schenkungsvertrag zusammen getätigt werden und per Vereinbarung auf künftige Pflichtteilsansprüche angerechnet werden.



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